Stadtrat
Bürgerbad: Teure Sanierung oder Neubau?
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Nach der Vorstellung der Machbarkeitsstudie steht die Politik vor einer schwierigen Entscheidung
Von Stephan Büllesbach
Die Hausmeister der Löwen-Grundschule, in deren Aula am Montagabend die Sondersitzung des Stadtrats stattfand, hatten zunächst 85 Stühle für Zuhörer aufgestellt. Tatsächlich kamen mehr als 100, denn das Thema Bürgerbad stößt bei vielen Hückeswagenern auf großes Interesse. Im Publikum saßen neben Vertretern von Vereinen wie den Frühschwimmern, der DLRG und des ATV auch Eltern mit Kindern.
Bevor Thomas Duzia und Hans-Helmut Schaper vom Technischen Ausschuss der Deutschen Gesellschaft für das Badwesen ihre seit Montag bei der Stadtverwaltung vorliegende Machbarkeitsstudie erläuterten, stellte Bürgermeister Dietmar Persian noch einmal klar: „Das Bad ist wichtig für Schulen, Sportvereine, Familien, Seniorinnen und Senioren. Wir alle wollen dafür sorgen, dass wir auch weiterhin ein Bad in Hückeswagen haben werden.“
Die Vorgeschichte: Das Bürgerbad im Brunsbachtal ist seit November 2020 geschlossen – zunächst wegen des Lockdowns, seit Januar 2021 wegen der maroden Dachkonstruktion, was bei einer Routinekontrolle aufgefallen war. Sauna und Restaurant können zwar betrieben werden, das Hallenbad aber nicht. Die Stadt beauftragte jetzt die beiden Gutachter, eine Machbarkeitsstudie anzufertigen. „Unsere Vorgabe war es, dass bei einer Sanierung oder einem Neubau eine Energieeinsparung von mindestens 50 Prozent erzielt wird“, berichtete Duzia. Die dürfte sogar noch darüber liegen. Im August und kurz vor Silvester hatten die beiden Experten das Bürgerbad besucht und eingehend untersucht.
Der Sanierungsbedarf: Das am 20. Juli 1974 eröffnete Hallenbad ist im Grunde genommen ein einziger Problemfall. „Die Hülle entspricht nicht der heute üblichen Bauweise“, betonte Duzia im Stadtrat. Saniert werden müssten die Haus- und Badewassertechnik, das Holztragwerk des Dachs und der Beton, zudem ist der Brandschutz unzureichend. Die Gutachter haben festgestellt, dass der Wärmeschutz ebenfalls nicht mehr zeitgemäß ist und dass es aufgrund der alten Technik einen hohen Heizbedarf gibt. „Wenn das Gebäude saniert werden soll, müsste es in den Rohbau-Zustand versetzt und anschließend energetisch erneuert werden“, machte Duzia deutlich.
Im Fall einer Sanierung: Sollte sich die Politik für eine Sanierung des fast 50 Jahre alten Hallenbads entscheiden, müssten unter anderem die äußere Klinkerschale entfernt, eine Dämmung und ein Ausgleichsputz sowie neue Klinkerriemchen angebracht werden. Dazu müsste das Kuppeldach aufwendig saniert und mit Dampfsperre, Dämmung, Abdichtung sowie neuen Oberlichtern und Lichtbändern versehen werden.
Veraltet ist auch die Lüftungstechnik sowie die Lüftung des Restaurantbereichs, denn dort gibt es keine Wärmerückgewinnung. Durch eine neue Lüftungsanlage könnte dort laut Schaper bis zu 82 Prozent an Energie eingespart werden. Erneuert werden müssten nach Auffassung der Experten alle Lüftungsgeräte sowie die Luftführung in der Schwimmhalle.
Auch die Badewassertechnik ist teilweise nicht mehr zeitgemäß, wie die Beckenhydraulik im Mehrzweck- und Kinderbecken, die so gar nicht mehr zulässig ist. Der Filter für das Schwimmbecken ist „hoffnungslos unterdimensioniert“ (Duzia). Zudem fehlt im Mehrzweckbecken ein Schwallwasserbehälter, was unter Umständen lebensgefährlich sein kann. „Denn geraten zum Beispiel Haare in die Ansaugung, könnte man unter Wasser gezogen werden und ertrinken“, erläuterte Schaper. Das Gleiche gelte für die großen Pumpen, die einen Schwimmer ansaugen und im schlimmsten Fall an den Beckenrand regelrecht festkleben würde.
Das Dach: Das Anfang der 70er Jahre errichtete Runddach wird heutzutage beim Hallenbau nicht mehr verwendet. Schon allein deshalb, weil es kaum Platz für eine Photovoltaikanlage hat – die Dachfläche im Brunsbachtal ist laut Schaper gerade einmal zehn Prozent nutzbar für Photovoltaik. Das könnte aber dadurch umgangen werden, indem eine Art Carport über einen Teil der Parkplätze gebaut wird, auf dem die Kollektoren installiert werden.
Die drei Optionen: Bei einer Sanierung des Hückeswagener Bürgerbads rechnen die Gutachter mit Bruttokosten von 20,8 Millionen Euro (inklusive Hochbau mit 4,75 Millionen, technische Gebäudeausstattung mit 6,8 Millionen sowie die Baunebenkosten und Unvorhergesehenes mit sechs Millionen). Für die beiden Neubau-Varianten nahmen Duzia und Schaper zwei bereits bestehende Hallenbäder als Referenzen: Das 2018 in Betrieb genommene Kreishallenbad Weilheim an der Lahn mit einer ähnlich großen Wasserfläche, wie es das Bürgerbad jetzt hat, würde jetzt hochgerechnet mit dem aktuellen Inflationsindex gut 15 Millionen Euro kosten – das wäre die große Lösung als Familienbad. Die kleinere Lösung, ein Bad nur für den Vereins- und Schulsport, könnte nach jetzigem Stand etwa 8,4 Millionen Euro kosten – als Beispiel nannten die Gutachter das Hallenbad Wolffskeel in Würzburg (2022).
Die Besonderheiten: Bei einer Sanierung würden alle Fliesen, Wandverkleidungen und die Abhangdecken entfernt und ein Großteil der sichtbaren Leitungen erneuert. „Viele Leitungen sind aber nicht sichtbar, ihr Zustand ist deshalb unklar“, erläuterte Dieter Klewinghaus, Leiter des Gebäudemanagements, auf Anfrage unserer Redaktion.
Ein Teil der Technik, wie Filter, könne eventuell bleiben oder werde vergrößert. „Die Lüftungsanlage kommt neu, ein Teil der Pumpen bleibt, der Rest muss erneuert werden.“ Die Spielgeräte können wohl wiederverwendet werden, die Rutsche eventuell auch, müsste aber umgebaut werden. „Sauna und Restaurant bleiben bestehen und werden nur teilweise angefasst“, sagte Klewinghaus. Für einen Neubau preisen die Experten weitere 1,5 bis 2 Millionen Euro für den Abriss des Altbaus ein. Die Heizzentrale in einem abgetrennten Gebäudeteil soll ebenso wie die Sauna erhalten bleiben. Deren Ruhebereich ragt aber aktuell ins Schwimmbad hinein.
Die Bauzeit: Ob Sanierung und Neubau – es wird in etwa gleich lange dauern, bis wieder im Brunsbachtal geschwommen werden kann. Die notwendige Planungs- und Genehmigungsphase dauert mindestens eineinhalb, der gleiche Zeitraum kommt dann noch für die Bauarbeiten hinzu, so dass es vom politischen Beschluss bis zur (Neu-)Eröffnung mindestens drei Jahre dauern dürfte. Ein etwaiger Abbruch könnte schon während der Planungs- und Genehmigungsphase vorgenommen werden.
Die beiden Gutachter
Thomas Duzia: Der Wuppertaler Architekt ist staatlich anerkannter Sachverständiger für Schall- und Wärmeschutz sowie Sachverständiger für Schäden an Gebäuden und Gebäudesanierung. Zudem ist er stellvertretender Vorsitzender im Technischen Ausschuss der Deutschen Gesellschaft für das Badwesen.
Hans-Helmut Schaper: Der Geschäftsführer und Gesellschafter der Planungsgruppe VA in Hannover ist der Vorsitzende des Technischen Ausschusses der Deutschen Gesellschaft für das Badwesen, für die er seit mehr als drei Jahrzehnten ebenfalls ehrenamtlich tätig ist.
In den Vereinen geht die erste Tendenz zum großen Wurf: Umfrage bei Vorständen von Stadtsportverband, DLRG, Frühschwimmer und ATV
Von Stephan Büllesbach
Adrian Borner hatte sich zusammen mit vielen anderen DLRG-Mitgliedern die Vorstellung der Machbarkeitsstudie angesehen. „Rein vom Eindruck der Präsentation würde ich einen Neubau vorziehen“, sagt der Ortsvorsitzende. Dieser sei wahrscheinlich etwas günstiger als die Sanierung, besser zu kalkulieren, und habe in den Folgejahren eine höhere Ersparnis bei den laufenden Kosten. „Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass das Leistungsspektrum eines Neubaus mit dem Bestand vergleichbar ist.“ Am Ende werde eine Lösung wohl nicht ohne Kompromisse auskommen.
Nicht verwundert hat ihn die Kostengröße: „Damit habe ich in diesem Rahmen – vor allem für einen Neubau – gerechnet“, versichert Borner. Nicht zuletzt deshalb, weil Hallenbäder in der technischen Struktur hoch komplex seien, „was es zusätzlich teuer macht“. Für die DLRG ist es ohnehin wichtig, dass die Wasserfläche nicht verringert wird und ein Drei-Meter-Sprungturm sowie eine entsprechende Wassertiefe von mehr als drei Metern erhalten bleibt, um die Schwimmabzeichen Gold sowie Rettungsschwimmer abnehmen zu können.
Hans-Georg Breidenbach zeigt sich dagegen „erschrocken“ über die Kosten. Der Vorsitzende des Stadtsportverbands befürchtet bei einer Sanierung eher eine „Flickschusterei“, weshalb er einen Neubau vorzieht – am besten den großen Wurf. „Denn ein Hallenbad ist für Hückeswagen, für die Vereine und die Familien wichtig.“ Es sei ohnehin schon schlimm, dass die Kinder in Hückeswagen nicht mehr das Schwimmen erlernen könnten. Thomas Cosler ist zufrieden: „Nach den schlechten Nachrichten der vergangenen Jahre begrüßt die IGF sehr, dass Verwaltung und Stadtrat einen Plan für die Zukunft des Bürgerbads erarbeiten“, sagt der Vorsitzende der IG Frühschwimmer, mit 1935 Mitgliedern der größte Sportverein der Stadt.
Die Studie habe ergeben, dass ein Neubau weniger koste und im Unterhalt wohl günstiger sein werde. Auch könnten dort das Kinderbecken, die Dampfgrotte und eine Sitzecke verwirklicht werden.
„Wir kommen um ein großes Bad eigentlich nicht drum herum“, betont Sven Schäfer, stellvertretender Vorsitzender des ATV. Als Triathlet würde ihm zwar ein Bad für den Vereins- und Schulsport reichen, aber letztlich müsste den Familien auch etwas geboten werden. Zumal in unmittelbarer Nähe das Neubaugebiet „Eschelsberg“ entstehen soll.