Zweiter Weltkrieg

Kanonier Hindrichs fiel in Stalingrad

Günter Hindrichs Onkel war Ende Dezember 1942 oder Anfang Januar 1943 in Stalingrad gefallen. Hindrichs zeigt einen Feldpostbrief, den der Kanonier aus dem Kessel an der Wolga schickte.
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Günter Hindrichs Onkel war Ende Dezember 1942 oder Anfang Januar 1943 in Stalingrad gefallen. Hindrichs zeigt einen Feldpostbrief, den der Kanonier aus dem Kessel an der Wolga schickte.
  • Philipp Müller
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Solinger Familie erhielt kurz vor der Kapitulation an der ein letztes Lebenszeichen.

Von Philipp Müller

Solingen. Adrett in Uniform wurde Alfred Hindrichs fotografiert. Das Bild des Angehörigen des Artillerieregiments aus dem Jahr 1942 hält der 93-jährige Neffe Günter Hindrichs in Händen und einen Brief des Kanoniers. Heute vor 80 Jahren kapitulierte die 6. Armee in Stalingrad. Hindrichs Onkel fiel einige Tage zuvor im Kessel der Stadt. Seit in der Ukraine Krieg herrscht, sei das oft Thema mit seiner Frau Karin, sagt Hindrichs. Der sonst so Besonnene ist ob der aktuellen Töne in der Kriegsdiskussion aufgewühlt. Zu den anlaufenden Lieferungen von Panzern ans ukrainische Militär sagt er: „Das führt in eine Dauerspirale. Die dürfen jetzt die Panzer einsetzen, wenn sie die Krim befreien wollen. Wo soll das hinführen?“ Auch gefällt ihm der Ton nicht, mit dem in Deutschland teilweise kriegsbegeistert argumentiert wird. „Die wissen doch alle nicht, was Krieg bedeutet.“

Zum heutigen Tag der Kapitulation in Stalingrad weist er daher auf das Schicksal seines Onkels Alfred hin. Drei Tage nachdem Günter Hindrichs als Zwölfjähriger von der Kinderlandverschickung nach Merscheid zurückkam, wurde der Onkel zum Gewerkschaftshaus an der Kölner Straße bestellt. Vormittags seien dann 60 Männer vor seinen Augen und denen seines Opas mit dem Koffern in der Hand in den Krieg gezogen – im Gleichschritt Richtung Hauptbahnhof. Alfred kam nach Stalingrad an die Wolga. Beim späteren Mittagessen an diesem 19. Juni 1942 habe der Opa unter Tränen gesagt: „Den Jungen sehen wir nicht wieder.“

Am 19. November schließt die russische Armee den Kessel um Stalingrad. Wochen der Ungewissheit folgten für die Angehörigen in Merscheid. Doch dann erreicht sie im Januar 1943 ein Brief von Alfred. Er ist auf den 21. Dezember datiert. Absender: Kanonier Alfred Hindrichs, Feldpostnummer 18039 C.

Der Brief ist an viele Mitglieder der Familie gerichtet. Er sei froh, endlich wieder regelmäßig schreiben zu können, „wir waren einige Wochen abgeschnitten.“ Günter Hindrichs berichtet heute, dass sich Alfreds Einheit aus einem Teil des Kessels befreien konnte – direkt hinein nach Stalingrad. In den Zeilen an Neffen Günter ist er noch sicher, „bald wieder bei Euch zu sein, was wird das schön“.

Doch auch die ganze Verzweiflung gepaart mit den von der Propaganda eingehämmerten Parolen dringt aus den Worten des Kanoniers. Er sei froh, dass „dieses Leben bald ein Ende hat. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was wir hinter uns haben. Aber die Hauptsache ist, dass es ein Sieg für uns wird, und hoffen wir, dass bald ganz Schluss ist. Man kann besser bis in die Nacht arbeiten, als dass hier mitzumachen. Nur der Gedanke an zu Hause kann einen aufrecht halten.“ Und er ist voller Hoffnung, dass „nachdem hier alles in Ordnung ist, wir herausgezogen werden. So wird es mir möglich sein, aus diesem Grunde eher auf Urlaub zu kommen, hoffentlich bald“.

Bis heute ist das Schicksal von Alfred Hindrichs ungeklärt

Nichts davon geschah. Wann und wo Alfred Hindrichs nach dem Schreiben der Zeilen fiel, ist unbekannt. Neffe Günter meint, es könne schon im Dezember 1942 passiert sein oder in den ersten Januartagen 1943, ob er seinen 30. Geburtstag am 25. Januar 1943 noch erlebte, bleibt ebenfalls ungewiss. Kurz nach der Kapitulation am 2. Februar 1943 erreichte die Familie die Nachricht, dass Alfred an der Front vermisst sei. Bis 1956 die letzten Gefangenen aus Stalingrad zurückkamen, habe die Familie Hoffnung gehabt, Alfred könnte noch leben. Vergebens, später wurde er von Amts wegen für tot erklärt. Heute erinnert sein Namenszug in Rossoschka, dort ist die Ruhe- und Erinnerungsstätte für die in der Schlacht von Stalingrad gefallenen, vermissten deutschen Soldaten.

Alfred Hindrichs Schicksal hat der Neffe fein säuberlich in einem Aktenordner archiviert. „Das sollen alle ruhig wissen, die jetzt ohne nachzudenken, so leicht über den Krieg reden.“ Und er sagt auch: „Der Putin ist nicht mehr ganz zurechnungsfähig.“

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