Druck aufs Verkehrsministerium
Initiative will über Tempo 30 entscheiden
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„Lebenswerte Städte und Gemeinden“ hat enormen Zulauf. Burscheid setzt weiter auf Zusammenarbeit mit Kreis.
Von Nadja Lehmann
Burscheid. Im Sommer 2021 taten sich sieben Kommunen zusammen: Aachen, Augsburg, Freiburg, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm riefen die Initiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden“ ins Leben. „Wir wollten mehr Beinfreiheit bei der Verkehrsplanung bekommen“, erklärte gerade erst Gunter Czisch, Ulmer Oberbürgermeister, der Stuttgarter Zeitung. „Wir wollen weniger Gängelung.“ Dabei wollen die Städte selbst entscheiden, auf welchen Strecken Tempo 30 sinnvoll ist. Das langfristige Ziel: die Kommunen lebenswerter und zukunftsfähiger zu machen. Bisher gebe die Straßenverkehrsordnung das nicht her, bilanzierte Czisch und forderte eine dementsprechende Umsetzung.
In ihrem Koalitionsvertrag hat die Ampel genau dies in Aussicht gestellt. Mit dem Schönheitsfehler, dass sich bislang nichts tut und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nicht aktiv wird. Auch auf mehrfache Einladung hin habe er kein Gespräch angeboten, bedauert Martin Horn, Oberbürgermeister von Freiburg, das ebenfalls Gründungsmitglied ist.
Initiative erfährt immer größeren Zulauf
Das ist umso erstaunlicher, als die Initiative seit ihrer Gründung großen Zulauf bekommen hat: Mit Stand vom Februar ist sie auf 429 Mitglieder angewachsen und umfasst somit 27 Millionen Bürger. Die Forderung der Initiative sei damit „Konsens in Deutschland“, sagt Horn. Allein im Januar gab es 57 Beitritte: Dörfer, Städte und inzwischen auch Landkreise sind dabei. Das freut die Gründungsmitglieder: Das gesamte politische Spektrum sei vertreten. Und der Druck aufs Verkehrsministerium wachse: Sei anfangs an die Ausweisung von Modellkommunen gedacht worden, sei dies angesichts der überwältigenden Zahl vom Tisch, sagt der Freiburger OB. Inzwischen unterhält die Initiative eine eigene Geschäftsstelle, hält ein Gespräch mit dem Verkehrsminister für die Mindestforderung und die versprochene Umsetzung für geboten. Derzeit legt Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung – ein Bundesgesetz – fest, dass Tempo 30 nur bei konkreten Gefährdungen bzw. vor sozialen Einrichtungen wie beispielsweise Kitas und Schulen angeordnet werden kann.
In der Nachbarschaft sind Bergisch Gladbach, Kürten, Overath und Odenthal dabei. Und Burscheid? Das ohnehin schon durch den Verkehr gebeutelt ist, wo die A 1 auf der einen Seite zwar eine für Gewerbe interessante Infrastruktur-Anbindung darstellt, andererseits aber auch durch die stadtnahen Auf- und Abfahrten zur Belastung wird?
„Die Stadt Burscheid ist nicht Mitglied der Initiative“, sagt Renate Bergfelder-Weiss, Sprecherin der Stadtverwaltung. „Tatsächlich liegt die Zuständigkeit für verkehrslenkende Maßnahmen, wozu auch die Anordnung von 30er-Zonen gehört, beim Rheinisch-Bergischen Kreis.“ Die Abteilung Verkehrslenkung sei für verkehrsregelnde Maßnahmen in der Stadt Burscheid und den Gemeinden Kürten und Odenthal zuständig.
Die größeren kreisangehörigen Städte Bergisch Gladbach, Leichlingen, Overath, Rösrath und Wermelskirchen führten diese Aufgaben in eigener Zuständigkeit durch. Bergfelder-Weiss: „Der Rheinisch-Bergische Kreis entscheidet in seinem Zuständigkeitsbereich über allgemein gültige verkehrsregelnde Maßnahmen wie die Anordnung von Verkehrszeichen, Ampeln, Fahrbahnmarkierungen. Weiterhin werden spezielle verkehrsregelnde Anordnungen im Zusammenhang mit der Einrichtung von Baustellen und Veranstaltungen wie Straßenfeste, Umzüge, Sportveranstaltungen, die im öffentlichen Verkehrsraum durchgeführt werden sollen, getroffen.“
Aktuell sei es so, dass die Stadt Burscheid Anregungen oder Hinweise – auch aus der Bürgerschaft – regelmäßig an die für verkehrslenkende Maßnahmen zuständige Kreisverwaltung bzw. die Verkehrsbesprechung weitergebe, erklärt Bergfelder-Weiss. „Die Verkehrsbesprechung besteht aus Vertretern des Kreises, der Stadt, der Polizei sowie der Straßenbaulastträger und der.“ Das Burscheider Stadtgebiet verfüge über zahlreiche Straßen (Kreis-, Landes- und Bundesstraßen) , für die andere Straßenbaulastträger zuständig seien. „Das Entscheidungskonstrukt hat sich bewährt“, sagt Renate Bergfelder-Weiss. Darüber hinaus entschieden über verkehrspolitische Maßnahmen schlussendlich die zuständigen Burscheider Gremien: Renate Bergfelder-Weiss nennt als aktuelle Beispiele den neuen Busverknüpfungspunkt an der Bürgermeister-Schmidt-Straße, die Realisierung des Busbahnhofs am Hilgener Raiffeisenplatz sowie die neue Linksabbiegespur Höhestraße/Ewald-Sträßer-Weg, die demnächst kommen wird.
Hintergrund
Anfang Februar bat die Initiative zur Online-Konferenz. Wie die Initiative mitteilt, haben sich fast 500 Teilnehmer und Teilnehmerinnen überwiegend aus Kommunalverwaltungen, aber auch aus Verbänden und Politik sowie interessierte Einzelpersonen zu ihren Erfahrungen bei der Umsetzung stadt- und umweltverträglicher Lösungen bei der Anordnung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten ausgetauscht.