Mehrwegbehälter
Nachhaltigkeit: Gastronomen nehmen Herausforderungen an
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Von Tisch-Reservierungen, die nicht in Anspruch genommen werden, bis zur Mehrwegpflicht.
Von Nadja Lehmann
Burscheid. .Es sind keine rosigen Zeiten für die Gastronomie. Angesichts von Energiekrise und steigenden Kosten sitzt vielen Besuchern das Portemonnaie nicht mehr so locker in der Hosentasche. Zudem haben sich Unsitten eingeschlichen: Kunden reservieren einen Tisch – und tauchen nicht auf. Mit der Mehrwegpflicht kommt eine weitere Herausforderung auf die Gastronomen zu: Sie ist seit Jahresbeginn verbindlich geworden. Und es fehlt das Personal: Es ist der allgemeine Fachkräftemangel zum einen, zum anderen aber sind es die Auswirkung der Pandemie, in der sich viele Beschäftigte aus der lange geschlossenen Gastronomie neu orientierten. Und nicht zurückkehrten.
Kerstin Weilbächer kennt das alles. Sie ist im 27. Jahr ihrer Selbstständigkeit, ist gelernte Bäckerin und Konditorin. Gemeinsam mit Ehemann Harald führt sie seit 17 Jahren das „Alte Landhaus“ an der B 51. Kennengelernt haben sich die beiden einst auf dem „Traumschiff“, als sich die schönsten TV-Geschichten um Kapitän Hansen (Heinz Weiss), Chefhostess Beatrice (Heide Keller) und Chefsteward Viktor (Sascha Hehn) rankten: Kerstin Weilbächer arbeitete dort als Konditorin, ihr zukünftiger Mann als Koch. Für sie zog der gebürtige Hesse sogar in ihre Heimat Burscheid: Bewahrt haben sich die beiden aus ihren Zeiten auf Schiff und See eine optimistisch-zupackende Haltung.
Mit Mehrweg haben sich Kerstin und Harald Weilbächer schon während der Pandemie beschäftigt. Da setzten beide nämlich auf Menüs, die man abholen konnte. Dem Plastik schworen sie da schon ab, nutzten lieber Porzellan. Heute sei alles, was Außer-Haus geht, zu 90 Prozent kompostierbar“, sagt Kerstin Weilbächer. Wer mag, darf auch die eigene Tupperdose mitbringen und sich sein Essen einfüllen lassen. „Da haben wir einen gesonderten Platz.“ Denn Hygienevorschriften spielen eine wichtige Rolle, wobei Kerstin Weilbächer etwas den Kopf schüttelt: „Früher durften wir Mehrweg wegen der Hygiene nicht anbieten. Jetzt wird es verlangt.“ Durch seinen Partyservice habe das Alte Landhaus aber sowieso jede Menge Boxen, Schalen, Verpackungsmaterial.
Inzwischen sind auch Sohn und Tochter mit eingestiegen. „Wir haben bei der Arbeitsagentur eine Anzeige geschaltet“, sagt Kerstin Weilbächer zum Thema Mitarbeiter. Eher pro forma: „Jeder kriegt es mit, dass die Gastronomie sucht. Die Leute, die wirklich in dem Bereich arbeiten wollen, kommen von allein.“
„Wer nicht auf eine Familie zurückgreifen kann, hat es schwer“, bestätigt auch Agirios Papazoglou. Aber er hat eine sehr gute Erfahrung gemacht, als er eine junge Ukrainerin einstellte: „Was Arbeitsbereitschaft, Servicegedanken und Freundlichkeit angeht, das beste, was ich bisher hatte. Sie spricht schon gut Deutsch“, ist er begeistert. Und hofft, „so schrecklich der Krieg auch ist“, dass noch mehr Menschen aus der Ukraine im deutschen Arbeitsleben Fuß fassen.
Mit seinem Restaurant „Korfu“ ist der CDU-Ratsherr an der Höhestraße eine Institution, in der Politiker gerne nach Wahlen Siege feiern. Er freut sich, dass die Gäste in großer Zahl zurückkehren: „Das ist nach dieser Zeit aber auch bitter notwendig“, sagt er. Zumal die Krise ja weitergehe, die Energiepreise explodierten und es gelte, alle Corona-Hilfen zurückzuzahlen: „Ich hätte besser bei meiner Bank einen Kredit aufgenommen“, sagt Papazoglou heute.
Mehrweg: Bei der Realisierung stellen sich viele Fragen
Ungleich positiver steht er dem Mehrweg gegenüber. „Eine wunderbare Idee, die ich begrüße“, sagt er. Doch mit der Realisierung täten sich Fragen auf: Gutes Geschirr oder Tupperware? Welches Pfand nimmt man? Wann bringt der Kunde das Geschirr wieder? Was tun, wenn plötzlich im Geschirrschrank gähnende Leere herrscht, weil alles verliehen und noch nicht wieder zurück ist? Funktioniert eine automatische Rückgabe? „Eigentlich wären Einheitsprodukte vonnöten“, sagt Papazoglou – Teller, Tassen und Boxen, die jeder Burscheider Gastronom anschafft und die jederzeit überall abgegeben werden können. Ob das klappt? Agirios Papazoglou lacht: „Ich bin durch meine politische Arbeit kompromissbereit und flexibel.“ Die Mehrweg-Idee sei umweltfreundlich und nachhaltig: „Bis das umgesetzt ist, braucht es noch etwas Zeit.“ Da sei auch die Industrie gefordert, die dem entsprechendes Porzellan oder Steingut entwickeln müsse: „Das ist doch eine Nische, in der man Geld verdienen kann.“
Tisch reserviert, und keiner kommt? „In der Vorweihnachtszeit ist das öfter passiert. Im Januar und Februar hat das nachgelassen“, sagt Kerstin Weilbächer. In der Großstadt sei es bereits üblich, eine Art Anzahlung zu fordern: „Das mag dort funktionieren. Hier sind wir aber auf dem Dorf.“
Agirios Papazoglou hat noch ein ganz anderes Problem. Sein „Korfu“ sei das älteste mit diesem Namen und seit mehr als zwei Jahrzehnten bei der Online-Reservierung dabei, dem entsprechend hoch oben ploppt es bei Suchanfragen im Internet auf: „Weil viele nicht darauf achten, wo wir sind, haben wir deshalb mehrmals in der Woche Reservierungen aus Kiel, Leipzig, Passau“, schildert er. Seitdem kontaktiert er diejenigen, die aus der Ferne buchen. Und schreibt in die Bestätigung nochmals in fetten Lettern „Burscheid“ hinein.