Tradition und Heimat

Bergisches Platt ist ein Stück Heimat

Halten den Mundartstammtisch nun in Eigenregie lebendig: Waltraud Küpper (links) und Gaby Winitzki.
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Halten den Mundartstammtisch nun in Eigenregie lebendig: Waltraud Küpper (links) und Gaby Winitzki.
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Kaltenherberger Heimatfreunde lösen sich auf, den Mundartstammtisch führen Waltraud Küpper und Gaby Winitzki weiter

Von Nadja Lehmann

Burscheid. Mundart und bergisches Platt sind von gestern? Sind nur für einige wenige etwas und für Zugereiste schon gleich gar nichts? Alles falsch. Das merkt ganz schnell, wer der Einladung zum Mundartstammtisch folgt. Und der dort, im Restaurant zur Heide, einen proppevollen Saal vorfindet. In dem dann auch zwei Nordlichter ihren Platz haben – wie die langjährige Ratsfrau Silke Riemscheid sowie die Schreiberin dieser Zeilen. Je weiter die Zeit voranschreitet, je besser die Kottenbutter mundet, umso besser geht es auch mit dem Verstehen.

„Ich habe da relativ schnell reingefunden“, erinnert sich Silke Riemscheid. Die gebürtige Schleswig-Holsteinerin ist seit Jahrzehnten in Burscheid daheim und mittlerweile eine bessere Rheinländerin als er selbst, wie Ehemann Axel findet. Selber sprechen oder schreiben ginge zwar nicht, das Zuhören aber sehr wohl, sagt seine Frau.

Vor allem, wenn Waltraud Küpper vor die gut gelaunte Schar tritt und mit klarer deutlicher Stimme Dönekes aus dem Alltag erzählt. Dinge, die eben jeder kennt. Wie das Ausmisten des Kleiderschranks nach „Passt nicht mehr“, „Passt gerade noch“ oder „Passt hoffentlich“ und dem damit verbundenden Wunsch nach einem neuen „Nervenkostümje“.

Gemeinsam mit Gaby Winitzki hat Waltraud Küpper zum Mundartstammtisch gebeten. Hilgenerin durch und durch kennt sie ihren Ortsteil, und die Hilgener kennen sie. Auch als Gesicht und treibende Kraft des Initiativkreises „Hilgen lebt“. Und ebenso wie Gaby Winitzki braucht sie ein neues Nervenkostüm gar nicht; vielmehr ist zu spüren, dass beide sich mit viel Zuneigung der Gruppe widmen und mit Freude und Glück Platt sprechen. „Sprache ist wichtig, bedeutet Heimat“: Das finden die beiden Bergischen ganz genauso wie Nordlicht Silke Riemscheid. Und deshalb soll es auch weitergehen mit dem Mundartstammtisch, zweimal im Jahr, so wie bisher.

Selbstverständlich ist das nicht, gehört der Stammtisch doch zu den Kaltenherberger Heimatfreunden. Und diese lösen sich auf. „Corona hat den letzten Stich versetzt“, sagt Waltraud Küpper. „Und mit dem Umbau des Haus der Kunst haben wir keine Heimat mehr.“ Denn dort feierten die Kaltenherberger ihre großen Erfolge mit Theaterstücken im bergischen Platt, bei denen Jung und Alt zusammenfand. „Die Jugendlichen waren irgendwann besser als die Erwachsenen“, sagt Winitzki mit einem Lächeln.

Um so bitterer war es, als die Pandemie alles schlagartig ausbremste und von den beiden einstudierten Stücken nur noch die Generalprobe stattfand. „Dieser Abschied war traurig“, sagt Gaby Winitzki. Und der Anfang vom Ende des 1938 gegründeten Vereins.

Waltraud Küpper holte die Kinder in den Verein

„Ich bin durch das Heimatfest und die Nachbarschaft so reingerutscht“, erinnert sich Waltraud Küpper. 1987 war das, 1988 stand sie selbst das erste Mal auf der Bühne. Und sie war es, die auf die Idee kam, Kinder miteinzubinden, gegen so manche Skepsis („Blagen auf der Bühne?“). Die „Blagen“ aber zeigten´s allen. „Am besten waren sie so mit 17, 18 als Halbstarke“, erzählt Gaby Winitzki, deren Kinder ebenfalls mitspielten. Mehr noch: „Meine Tochter hat dort ihren Mann kennengelernt.“

Von den Müttern und Omas haben Küpper und Winitzki ihr Platt gelernt. „Meine Mutter und meine Tante haben immer über den Hof gerufen. Die brauchten kein Telefon“, sagt Winitzki über ihre Kindheit in Kürten.

Sprache als Heimatgefühl, als Geborgenheit: „Herzenssache“ ist ihnen deshalb der Mundartstammtisch, den sie nun in Eigenregie weiterführen.

Und der vor Corona noch viel voller war, als beispielsweise noch eine 20-köpfige Gruppe aus Wermelskirchen regelmäßig zu Gast war. „Die meist besuchteste Veranstaltung bei den Kaltenherberger Heimatfreunden“, sagt Küpper. Dieses Mal ist aus der Nachbarstadt Claus Füllhase gekommen – mit ganz alten sepiabraunen Fotos von Burscheid im Gepäck. Und mit Ernst Köser ist ein Dhünner dabei, der aus dem eigenen Buch in Platt vorträgt.

Das Rezitieren, Vortragen und Agieren ist Waltraud Küpper aus der Kaltenherberger Zeit geblieben; dort schrieb sie die Stücke ebenso selbst wie nun auch ihre Texte beim Stammtisch.

„Das Platt hat ganz viel Nuancen“, sagt sie. Und Unterschiede, dank der Benrather Sprachgrenze. „Zick“ und Tid“ heißt es in Hilgen und Nüxhausen. Sprache: Das hat eben ganz viel mit Sich-Zuhause-Fühlen zu tun. Im November will man sich wiedersehen.

Hintergrund

Die Ursprünge der Kaltenherberger Heimatfreunde liegen im Arentshain. Das vom Verein angelegte Gelände im Eifgental unterhalb des Thomashofs, war 1938 Gründungsort. Später jedoch verlagerte sich der Schwerpunkt des Vereins auf Schauspiel und Theater. Zu hören und zu sehen gab es „Theaterstöcke op Bu’escheder Platt“. Nun löst sich der Verein auf.

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