Bargeld ist out
Zahlen mit Karte ist zum Standard geworden
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In der Pandemie erhielt das bargeldlose Bezahlen im Bergischen einen Schub. Neben der EC-Karte gibt es einen weiteren Trend.
Von Sven Schlickowey
Bergisches Land. An manchen Tagen, berichtet Philipp Flohr, komme es vor, dass bei ihm kein einziger Kunde mehr bar bezahle. Seit der Pandemie sei die Kartenzahlung zum Standard geworden, sagt der Geschäftsführer der Parfümerie Flohr. Vor ein paar Jahren sei etwa jede zweite Zahlung mit Bargeld erfolgt, heute vielleicht noch ein Viertel, so Flohr: „Und das ist mir auch sehr recht.“
Das bargeldlose Bezahlen, in vielen anderen europäischen Ländern seit langen Jahren der Normalfall, hatte während Corona auch in Deutschland einen Aufschwung erlebt. Viele Kunden zückten lieber die Karte als Bargeld von Hand zu Hand wandern zu lassen. Viele Händler begrüßen diese Entwicklung, Banken prognostizieren eine weitere Zunahme. Doch mit dem Ende der Corona-Maßnahmen ist auch eine gegenteilige Entwicklung zu beobachten.
In den Filialen der Bäckerei Evertzberg sei der Anteil an Kartenzahlungen zuletzt wieder etwas zurückgegangen, erklärt zum Beispiel Geschäftsführer Thomas Bischzur: „Wir haben wieder mehr Bargeld in der Kasse.“ Ende 2019 hatte das Remscheider Unternehmen flächendeckend Lesegeräte installiert, lag der Anteil bargeldloser Transaktionen anfangs bei etwa fünf Prozent, stieg er in der Pandemie auf bis zu 30 Prozent. Nun sei der Trend wieder rückläufig.
Allgemein sagt man den Deutschen einen gewissen Hang zum Bargeld nach. Eine Umfrage der Bundesbank ergab 2021, dass 30 Prozent der Bundesbürger Scheine und Münzen als Zahlungsmittel bevorzugen. Statistisch gesehen steigt dieser Anteil bei Menschen, die ihre eigene finanzielle Situation als schlecht einschätzen. Und er steigt mit zunehmenden Alter. Evertzberg-Geschäftsführer Bischzur hat zudem ein regionales Phänomen beobachtet: „Gerade hier im Bergischen spielt das Klein- und Bargeld nach wie vor eine große Rolle“, sagt er. In Filialen nahe Köln oder Düsseldorf sehe das anders aus.
Und bei größeren Beträgen wie Philipp Flohr von der gleichnamigen Parfümerie mit Filialen unter anderem in Solingen, Wermelskirchen, Hückeswagen und Radevormwald meint. Je höher der Kaufpreis sei, desto häufiger zücke der Kunde die Karte, sagt er: „Dass Beträge über 100 Euro bar bezahlt werden, kommt nur noch ganz selten vor.“ Auch samstags und an verkaufsoffenen Sonntagen steige der Anteil von Kartenzahlungen spürbar an: „Darauf kann ich mir aber auch keinen Reim machen.“
Flohr ist das aber auch ohne Erklärung ganz recht: „Ich sehe im bargeldlosen Bezahlen eigentlich nur Vorteile“, sagt er. Der Umgang mit Bargeld sei umständlich und teuer, bei Kartenzahlungen erhalte man zudem automatisch eine lückenlose Dokumentation aller Zahlungsvorgänge für die Buchhaltung.
Thomas Bischzur von der Bäckerei Evertzberg sieht noch einen weiteren Vorteil: das Tempo. Mit Auslösung der Kasse könne sich der Mitarbeiter bei Kartenzahlung schon um den nächsten Kunden kümmern – anstatt Münzen zu zählen und Wechselgeld herauszugeben. „Das kostet wertvolle Sekunden.“ Die Gebühren für die Kartenzahlung zahle man da gerne. Zumal Bargeld-Handling auch viel Geld koste.
Die Entscheidung liege am Ende aber beim Kunden, betont Bischzur. Bäcker, die ganz aufs bargeldlose Bezahlen gesetzt hätten, seien gescheitert. Und weil nicht absehbar ist, dass die Bergischen ganz aufs Bargeld verzichten, arbeitet man bei Evertzberg schon an anderen Lösungen. Zum Beispiel einer Kundenkarte mit Pre-Paid-Funktion.
Wirklich aufzuhalten sei der Trend zum bargeldlosen Bezahlen aber nicht, sind sich die Experten einig. „Wir gehen davon, aus, dass mit der weiteren technischen Entwicklung auch das bargeldlose Zahlen weiter zunimmt“, sagt zum Beispiel Christian Fried, Vorstand der Volksbank im Bergischen Land. Heute schon würden viele ganz selbstverständlich mit Smartphone oder Smartwatch zahlen, neu hinzu kämen zudem sogenannten Wearables: „Hier ist die Bezahlfunktion der Girocard zum Beispiel in einen Ring integriert, mit dem der Kunde an der Supermarktkasse zahlen kann.“
Bezahlen mit Google-Pay und Apple Pay nimmt zu
Auffällig dabei: Das Tempo, mit dem sich solche Neuerungen durchsetzen, nimmt stetig zu. Mobile Payment-Angebote wie Google Pay oder Apple Pay sind zum Beispiel erst wenige Jahre alt, laut einer Umfrage der GfK nutzt sie heute aber schon Drittel alle 18- bis 29-Jährigen regelmäßig.
Hintergrund
58 Prozent aller Bezahlvorgänge fanden 2022 laut Bundesbank mit Bargeld statt, fünf Jahre vorher waren es noch 74 Prozent. Parallel steigen die Zahlen fürs Bezahlen mit der Girocard: Nach 2,6 Milliarden Bezahlvorgängen 2015 waren es im Vorjahr 6,7 Milliarden.