Beruf
Was macht die Ausbildung attraktiver?
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Podiumsdiskussion im Berufsbildungszentrum der Industrie
Von Sven Schlickowey
Bergisches Land. Auch wenn Themen wie Energiepreise oder Lieferketten derzeit noch drängender wirken – der Fachkräftemangel hat sich längst als strukturelles Problem der bergischen Wirtschaft verfestigt. Mit trauriger Regelmäßigkeit bleiben Ausbildungsplätze in der Region unbesetzt. Die Frage, was man dagegen tun kann, stand im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion, zu der der SPD-Bundestagsabgeordnete Ingo Schäfer ins Remscheider Berufsbildungszentrum der Industrie (BZI) eingeladen hatte.
Zusammen mit Dr. Marcus Jankowski vom Remscheider Arbeitgeberverband, IHK-Präsident Henner Pasch, BZI-Geschäftsführer Alexander Lampe und dem SPD-Politiker Jan Dieren, Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales, sprachen Fiona Geist und Philipp Surborg, zwei Auszubildende des Hückeswagener Maschinenbauer Klingelnberg, darüber, wie man mehr junge Menschen für eine duale Ausbildung begeistern kann.
Ansätze gab es einige. Schüler, vor allem an Gymnasien, müssten mehr über die zahlreichen Ausbildungsberufe, die es gibt, erfahren, schlug Politiker Dieren vor. Insbesondere Praktika seien dafür ein geeigneter Weg. Ein Punkt, an dem Arbeitgeberpräsident Jankowski nur zustimmen konnte. Er verwies auf die Probierwerkstatt des BZI – und darauf, dass ein Tag kaum ausreiche, um sich ein Bild davon oder von einem Unternehmen zu machen: „Da braucht man wohl eher eine Woche.“
Die späteren Weiterbildungen, zum Beispiel zum Techniker oder Meister, müssten kostenfrei sein, forderte Ingo Schäfer. Zudem sei es wichtig, dass die duale Ausbildung als gleichwertig zum Studium wahrgenommen werde, waren sie Teilnehmer einig. „Dass es Studierenden-Wohnheime gibt, ist in vielen Städten normal“, nannte Dieren ein Beispiel. „Warum gibt es keine Wohnheime für Azubis?“ Von einem notwendigen Imagewandel der Ausbildung sprach Ingo Schäfer, erntete dafür aber nicht nur Zustimmung. BZI-Chef Lampe rief hingegen zu mehr Ehrlichkeit auf: „Wir sollten nicht ein Image transportieren, das es hinterher nicht gibt.“
„Wenn man weiß, dass der Beruf Zukunftschancen hat, ist das ausschlaggebend.“
Entstanden sei die Idee zu der Diskussion beim Tag der offenen Tür am BZI im Herbst, berichtete Ingo Schäfer. Schon in seiner eigenen Ausbildung zum Betriebsschlosser habe er sich immer gefragt, „warum fragt uns eigentlich nie jemand, wie es uns geht und woran es hapert“, erklärte er. Die Chance, diese Frage nun an aktuelle Azubis weiterzureichen, die es angesichts von zwei Auszubildenden auf dem Podium und mehr als 100 im Zuschauerraum durchaus gegeben hätte, verpasste er allerdings weitgehend. Der Rede-Anteil von Fiona Geist, Philipp Surborg und den Zuschauern war eher überschaubar.
Die Frage, welche Zukunft der jeweilige Job hat, spiele für viele junge Menschen heute eine zentrale Rolle bei der Berufswahl, machte Philipp Surborg, angehender Industriemechaniker, deutlich: „Wenn man weiß, dass der Beruf Zukunftschancen hat, ist das ausschlaggebend.“ Aber natürlich sei auch das Gehalt wichtig, und das schon während der Lehre. „Auch als Azubis muss man seine Rechnungen bezahlen.“
Die wenigen Wortbeiträge aus dem Publikum beschäftigten sich ebenfalls eher mit praktischen Problemen, zum Beispiel der mangelnden finanzielle Unterstützung bei einer zweiten Ausbildung. Oder dass eine Lehre nach einem abgebrochenen Studium oftmals als eine Art von Scheitern angesehen werde.
Die Rolle, diese Hinweise aufzunehmen, fiel am Ende dem IHK-Präsidenten zu. „Darüber wird die ganze Runde sicherlich noch mal nachdenken müssen“, sagte Henner Pasch. Und machte dann deutlich, dass aus seiner Sicht die vielen positiven Ergebnisse und Erlebnisse der dualen Ausbildung besser kommuniziert werden müssten. Am besten durch die, die es auch betrifft. Er selber sei in den sozialen Medien nicht sonderlich bewandert, erklärte er den anwesenden Azubis. Und forderte sie dann auf: „Wenn ihr darin besser seid, dann macht das doch bitte publik.“
Hintergrund
Dass es immer weniger Azubis gibt, ist kein rein bergisches Phänomen. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2021 bundesweit knapp über 466 000 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, 2011 waren es noch über 561 000. Die Zahl der Azubis sankt von 1,45 Millionen auf nun 1,255 Millionen.