Energiewende
So kommt der Strom auch von älteren Dächern
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Ein Beispiel aus Remscheid zeigt, wie auch ältere Industriebauten für Photovoltaikanlagen genutzt werden können. Die Probleme dürften überall ähnlich sein.
Remscheid. Mehr als 30.000 verschiedene Gewindewerkzeuge hat Schumacher Precision Tools im Angebot - eines haben alle gemein: Sie auf den vielen Dreh-, Fräs- und Schleifmaschinen des Unternehmens herzustellen, verbraucht Strom. Zukünftig soll diese Energie zumindest an sonnigen Tagen komplett vom eigenen Dach kommen, eine Photovoltaik-Anlage mit Hunderten Modulen macht es möglich. „Wir werden im Sommer zeitweise autark sein“, sagt Geschäftsführer Christoph Schniering.
Der Weg dahin, bei dem auch ein Zimmermann eine entscheidende Rolle spielte, könne als Blaupause für viele andere Unternehmen in der Region dienen, meint Schniering. Auch wenn dieser Weg ein gutes Jahr gedauert hat. Diese Zeit habe es gebraucht, um - neben dem Tagesgeschäft - die Anlage zu planen, Angebote einzuholen und die Gewerke zu koordinieren. Und um die eine oder andere Klippe zu umschiffen.
Die größte war das Firmengebäude, größtenteils zwischen 1930 und 1950 entstanden - also in einer Zeit als noch niemand an Solarmodule mit einem Gewicht von 14 Kilogramm je Quadratmeter dachte. Oder an die damit verbundenen Herausforderungen an die E-Verteilung.
Problem Statik: Lösung im Betrieb
„Wir wollten von Anfang an möglichst das ganze Dach nutzen“, berichtet Christoph Schniering. Doch vor allem ein Teil der Produktionshalle bereitete bald Sorgen. Das von einer einfachen Stahlkonstruktion getragene Dach wäre mit einer Solaranlage an die Grenze der Belastungsfähigkeit gebracht worden. Und das, wo gerade diese Fläche besonders gut zur Sonne liegt, wie Schniering sagt.
Also beauftragte die Firma Schumacher einen Statiker. Und nach dessen Empfehlung schließlich Zimmermann Börge Oelbermann. Der baute vier Holz-Stützen aus Brettschichtholz, die das Dach der Halle nun zusätzlich tragen. „Die können ordentlich was aufnehmen“, sagt Oelbermann. Zudem ist jede einzelne Stütze eine Maßanfertigung, die auf die Maschinen und die Arbeitsabläufe in der Halle Rücksicht nimmt. Die Mitarbeiter hätten weiterhin genug Platz, um ihrer Arbeit nachzugehen, versichert Christoph Schniering. Und im Notfall ließen sich die Stützen auch demontieren, sagt Börge Oelbermann. Zum Beispiel wenn eine Maschine mal ausgetauscht wird.
Nach diesen und anderen Vorarbeiten, unter anderem wurde ein neues Kabel zu einem Nebengebäude verlegt und Teile der E-Verteilung erneuert, konnten Marvin und Thomas Hell von der Dachdeckerei Kramer loslegen. Sie verlegten insgesamt 369 Module mit je 405 Watt Maximalleistung. Die zweitgrößte Anlage, die sie bisher montiert hätten, sagt Thomas Hell. Ohne die Stützen wären es wohl 80 Module weniger gewesen.
Auch Hell meint, dass es im Bergischen etliche vergleichbare Industriehallen gebe: „Das war damals die übliche Bauweise.“ Das Beispiel Schumacher Precision Tools zeige, dass sich viele dieser Dächer trotz erster Schwierigkeiten für PV-Anlagen nutzen lassen. Die Holzstützen seien eine praktikable Lösung. Und zudem vermutlich die schnellste und günstigste, ergänzt Börge Oelbermann.
In fünf Jahren sollen die Kosten wieder drin sein
Trotz der recht umfangreichen Vorarbeiten und der langen Planungszeit gehe er davon aus, dass sich die Gesamtinvestition innerhalb von fünf Jahren amortisiere, sagt Christoph Schniering. Bei den aktuellen Strompreisen. Steigen die Energiekosten weiter, profitiert die Firma gleich doppelt: Die Ersparnis für den Eigenverbrauch steigt. Und die Erlöse durch den Verkauf des überschüssigen Stroms, beispielsweise am Wochenende, auch.
„Das Ganze rechnet sich über den Eigenverbrauch.“
Doch das Einspeisen des Stroms sei nur ein Nebeneffekt, betont der Geschäftsführer: „Das Ganze rechnet sich eigentlich über den Eigenverbrauch.“ Und sei deswegen vor allem für Unternehmen mit hohen Energieverbräuchen geeignet. „Die Strompreise kennen an sich ja nur eine Richtung.“
Kunden wollen klimaneutrale Produkte
Doch die wirtschaftliche Betrachtung sei nicht alles, sagt Schniering. Er sei überzeugt, dass viele Kunden über kurz oder lang auf ein klimaneutrales Produkt bestehen. Darauf wolle man vorbereitet sein. Zudem habe die Firma den Eigenanspruch, möglichst umweltfreundlich zu arbeiten. Deswegen habe er gerne Zeit und Arbeit in die Anlage gesteckt: „Es macht Spaß, weil man weiß, wofür man es macht.“
Infos für Unternehmen
Um die großen Potenziale für PV-Anlagen auf Firmendächern zu heben, hat die NRW-Landesregierung die Kampagne „Mehr Photovoltaik auf Gewerbedächern“ ins Leben gerufen. Zusammen mit den IHK, dem Handwerk und dem Landesverband Erneuerbare Energien organisiert man Infoveranstaltungen und betreibt eine Internetseite zum Thema: www.pv-auf-gewerbe.nrw