Handwerksunternehmen

So funktioniert die Vier-Tage-Woche in der Praxis

Reiner Schminnes und Angelika Zelinske wollen gute Argumente im Kampf um Fachkräfte haben.
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Reiner Schminnes und Angelika Zelinske wollen gute Argumente im Kampf um Fachkräfte haben.
  • Manuel Böhnke
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Kürzere Arbeitszeit und keine Begrenzung für Urlaubstage: Das ist das Konzept der Büscher & Meurer Elektro- und Medientechnik GmbH in Solingen.

Von Manuel Böhnke

Bergisches Land. Reiner Schminnes hat sich eine simple Frage gestellt: „Wie kann ich angenehme Arbeitsbedingungen schaffen?“ Diese Überlegung setzte einen Prozess in Gang, der die Büscher & Meurer Elektro- und Medientechnik GmbH nachhaltig verändert hat. Heute bietet das Solinger Handwerksunternehmen eine Vier-Tage-Woche an, begrenzt die Urlaubstage für seine Beschäftigten nicht mehr. Von diesen und weiteren Maßnahmen erhoffen sich Betriebsleiter Schminnes und Geschäftsführerin Angelika Zelinske Vorteile beim Kampf um Fachkräfte.

Die Diskussion über Für und Wider der Vier-Tage-Woche ist nicht neu. Unlängst heizte eine in Großbritannien durchgeführte Studie das Thema an. Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass Stress und Fehltage der Beschäftigten in einer Testphase sanken, die Produktivität gleichzeitig konstant blieb oder stieg.

Vier-Tage-Woche im Bergischen noch nicht verbreitet

In der Region scheint dieses Arbeitszeitmodell bislang kein großes Thema zu sein. Der Bergischen Industrie- und Handelskammer sind lediglich eine Hand voll Unternehmen bekannt, die darauf setzen. Fred Schulz kennt in seinem Zuständigkeitsbereich keinen einzigen. Dennoch betont der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Remscheid: „Man kommt an diesem Thema derzeit kaum vorbei.“

Das führt er vor allem auf die veränderten Bedürfnisse junger Beschäftigter hinsichtlich der Balance zwischen Berufs- und Privatleben zurück. Deshalb geht Schulz davon aus, dass sich immer mehr Firmen mit der Vier-Tage-Woche beschäftigen werden. Der Weg dorthin sei jedoch durchaus kompliziert: „Man muss den Betrieben die Zeit geben, die nötigen Strukturen zu schaffen.“ In vielen Fällen sei nötig, Abläufe umzustrukturieren, Gewohntes über den Haufen zu werfen. Dabei sind die Voraussetzungen unterschiedlich: Wer etwa überwiegend Privatkunden bediene, könne diesen nur schwierig vermitteln, zukünftig freitags nicht mehr im Einsatz zu sein.

Vier-Tage-Woche: Betrieb musste sich umstrukturieren

Dass ein Umdenken notwendig ist, kann Reiner Schminnes bestätigen. Büscher & Meurer hat seine Zielgruppe neu definiert. Früher befanden sich viele Industriekunden darunter. Für sie musste der Handwerksbetrieb möglichst jederzeit erreichbar, bei Problemen sofort zur Stelle sein. Für die Monteure bedeutete das Stress. Heute sind die Solinger vor allem im Projektgeschäft tätig.

Wichtig für den Erfolg der Umstrukturierung sei, dass die zehn Beschäftigten des Unternehmens in funktionierenden Teams zusammenarbeiten. Die Mitarbeiter wechseln die Projekte nicht mehr, betreuen sie vom ersten bis zum letzten Handgriff. Der dadurch enge Kontakt zum Auftraggeber wirke sich positiv auf die Ergebnisse aus. „Zudem steigen Zufriedenheit und Verantwortungsgefühl“, berichtet Angelika Zelinske.

Und die Kunden haben sich darauf eingestellt, dass der Großteil des Teams freitags nicht verfügbar ist. In Notfällen sind Geschäftsführerin und Betriebsleiter erreichbar, zudem arbeitet ein Kollege weiterhin an fünf Tagen pro Woche – er hat sich gegen das neue Modell entschieden.

Vier-Tage-Woche: Nur positive Erfahrungen des Solinger Unternehmens

Der Rest der Belegschaft hat ein dreitägiges Wochenende. Zelinske musste einige rechtliche Hürden überwinden, hat dann jedoch eine Regelung gefunden: Die Wochenarbeitszeit wurde bei vollem Lohnausgleich auf 37 Stunden reduziert. Reiner Schminnes war davon ausgegangen, Personal aufstocken zu müssen, um das Geschäft trotzdem stabil zu halten. Dies erwies sich als Trugschluss: „Die Krankentage sind gesunken und die Produktivität gestiegen.“
Viele Arbeitnehmer wünschen sich eine 32 Stunden Woche.

Seit Dezember 2021 setzt Büscher & Meurer auf die Vier-Tage-Woche – das System habe sich bewährt. Die Zwischenzeit haben die Verantwortlichen genutzt, um ihren Betrieb mit weiteren Maßnahmen zu modernisieren. Dazu zählt, dass die Mitarbeiter ihr Werkzeug auswählen können, zudem einen Firmenwagen sowie ein Smartphone und Tablet erhalten.

Eine Obergrenze für Urlaub gibt es dagegen seit November 2022 nicht mehr. Die Idee: In einem Jahr sind vielleicht weniger Tage notwendig, im nächsten dafür mehr, weil eine große Reise geplant ist oder private Herausforderungen warten. „Damit wollen wir den Druck rausnehmen“, betont Angelika Zelinske. Nun müsse man beobachten, wie sich das Vorgehen einspielt. Es solle keine Konkurrenzsituation entstehen, wer am wenigsten Urlaub nimmt.

Mit einigen organisatorischen Maßnahmen, die den Alltag erleichtern sollen, möchte Reiner Schminnes den Betrieb auf Wachstumskurs bringen. Er habe Spaß bei der Arbeit – den soll die Belegschaft teilen. „Ich baue mir ein Umfeld, das mir gestattet, nicht in Rente gehen zu müssen.“

Unternehmen

Reiner Schminnes hat die Büscher & Meurer Elektro- und Medientechnik GmbH 2004 übernommen. Bereits zuvor war er als Handwerker selbstständig. Der Betrieb ist laut eigenen Angaben auf „anspruchsvolle Elektrotechnik und deren Installation im gehobenem Wohn- und Gewerbebau“ spezialisiert.

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