Jubiläum
Müller & Schmitz: Das ist Remscheids älteste Werbeagentur
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Aus dem Werbestudio ist in 50 Jahren eine Full-Service-Agentur geworden. Größtes Problem: Gute Mitarbeiter finden.
Von Sven Schlickowey
Remscheid. Ihrer ersten Aufträge verdankten Hans Müller und Jürgen Schmitz auch ihren Sprachkenntnissen. Als sich die beiden vor 50 Jahren selbstständig machten, wurde in den Chefetagen des Remscheider Mittelstandes noch Platt gesprochen. „Wenn man das nicht konnte, hatte man keine Chance, den Kunden zu bekommen“, erinnert sich Müller. Daraus entstanden ist die vermutlich älteste noch existierende Werbeagentur Remscheids. Die inzwischen aber auch ganz gut ohne Mundart auskommt.
Am 1. April feierte Müller & Schmitz 50. Geburtstag, das Unternehmen ist längst ein Full-Service-Agentur, deren Angebot vom Verpackungsdesign bis zur Webseitengestaltung reicht.
Angefangen haben die beiden Firmengründer, die sich zuvor bei der gemeinsamen Arbeit für eine Druckerei kennengelernt hatten, eher als Fotografen. Und unter der Bezeichnung Werbestudio. Wegen der damals noch geltenden Meisterpflicht. Und um klar zu machen, dass man kein Interesse an Hochzeitsfotos und Passbildern hatte.
Stattdessen fotografierte man die Produkte der Kunden, zum Beispiel für den ehemaligen Solinger Küchengeräte-Hersteller Krups. „Wir hatten das komplette Krups-Programm in mannigfacher Ausführung auf Lager“, berichtet Hans Müller. Bilder habe man dann zum Teil auf Abruf geliefert, erklärt Jürgen Schmitz. Mal für den Katalog, mal für die PR. „Wir haben dann auch schon mal Nachtschichten eingelegt, einige Hundert Abzüge gemacht und an alle Tageszeitungen verschickt.“
Die Beziehung zu Krups sei eher durch Zufall – und ohne Platt-Kenntnisse – entstanden, erinnern sich Schmitz und Müller. Gehalten habe sie bis zum Ende des Unternehmens, das 1991 an Moulinex verkauft wurde und schließlich als Marke im französischen Konzern Groupe SEB aufging.
„Wir haben in der Regel ein sehr persönliches Verhältnis zu unseren Kunden“, sagt Hans Müller. Das zeige sich auch in der Dauer der Geschäftsbeziehungen. „Der überwiegende Teil ist seit über 30 Jahren dabei.“ Einige sogar, darunter Schein Orthopädie, von Beginn an. „Bei manchen ist der Junior-Chef von damals heute der Senior“, sagt Jürgen Schmitz.
Dass aus dem Werbestudio eine Agentur wurde, sei ein „schleichender Prozess“ gewesen, sagt Müller rückblickend. „Wir haben das aber ja auch so angestrebt“, ergänzt Schmitz. Um mehr als „nur“ Fotos bieten zu können, investierten die Firmeninhaber in zusätzliches Personal. Und moderne Technik. Noch vor dem ersten Computer zog ein IBM Composer bei Müller & Schmitz ein. „Das war eigentlich eine überdimensionierte Schreibmaschine“, erklärt Jürgen Schmitz. Und mit 24.000 Mark Kaufpreis die bis dahin größte Einzelinvestition der Firma.
Leicht sei das nicht immer gewesen, betont Hans Müller. Und gibt zu, lange an der analogen Fotografie gehangen zu haben. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass eine digitale Kamera unsere hohen Qualitätsansprüche erfüllt.“ Inzwischen ist die agentureigene Dunkelkammer aber ausgeräumt. Geblieben ist hingegen das Prinzip, den gesamten Produktionsablauf im Haus zu behalten, statt auf externe Partner und Freelancer zu setzen. So könne man die Qualität besser im Blick behalten.
Acht Mitarbeiter hat die Agentur heute, darunter Vater und Sohn Müller; Jürgen Schmitz steht der Firma noch beratend zur Seite. Das könnten durchaus auch mehr sein, sagt Hans Müller.
Doch auch die Werbebranche habe Probleme, geeignetes Personal zu finden. Viele Absolventen würden es wohl vorziehen, bei den großen Agenturen in Düsseldorf anzuheuern, vermutet Sebastian Müller. „Dabei können wir hier ein sehr umfangreiches Aufgabengebiet bieten.“
Zu dem natürlich auch schon seit Jahren digitale Medien gehören. Das Verhältnis zwischen online und Print liege heute etwa bei 50:50, schätzt Hans Müller. Und das habe die Arbeit deutlich verändert: „Früher haben wir fotografiert mit dem Gedanken, dass das Bild mal gedruckt wird.“ Heute müsse das Foto auch für Social Media und andere Anwendungen funktionieren.
Bei manchen ist der Junior-Chef von damals heute der Senior.
Einzug gehalten haben Internetseiten und Co. spätestens als Sebastian Müller neben der Schule anfing, in der Firma seines Vaters zu jobben. Später machte der inzwischen 32-Jährige seinen Bachelor in Web-Development. Heute entwickelt er für seine Kunden Lösungen, die deutlich über eine gewöhnliche Webpräsenz hinausgehen.
Zum Beispiel Onlineangebote, bei denen sich Kunden auf der Internetseite einloggen, dort minutenaktuelle Lagerbestände sehen und auch bestellen können. Hinterlegt mit den individuellen Bedingungen. Und natürlich hinterlegt mit Produktfotos. „Die muss ja nach wie vor jemand machen“, sagt Sebastian Müller. So schließt sich der Kreis.
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Hintergrund
Wie viele Werbeagenturen es in Deutschland genau gibt, ist schwer zu sagen, auch weil die Definition der Bezeichnung nicht eindeutig ist. Das Statistische Bundesamt zählte 2019 rund 27.300 Unternehmen, die sich selbst so bezeichneten. Zehn Jahre zuvor gab es noch mehr als 36.000 Werbeagenturen in Deutschland, das entspricht einem Rückgang von mehr als 24 Prozent in nur einem Jahrzehnt.